Zur Gewaltkriminalität zählen strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit und gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, die vorsätzlich begangen werden. 2022 wurden in Österreich 78.836 Gewaltdelikte zur Anzeige gebracht. Das sind 11.395 mehr als im Jahr 2021, was einem Anstieg von 16,9 Prozent entspricht. Im Vergleich mit dem Jahr 2019 betrug der Anstieg 5.757, ein Plus von 7,8 Prozent. Betrachtet man die Täter-Opfer-Beziehung im Bereich der gesamten Gewaltkriminalität so besteht zu 59,8 Prozent ein Bekanntschaftsverhältnis. Im Jahr 2022 wurden bei den angezeigten Gewaltdelikten 305 Schuss-, 2.393 Stich- und 598 Hiebwaffen verwendet. Bei den angezeigten Morddelikten wurden im Jahr 2022 33 männliche und 39 weibliche Opfer protokolliert. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg bei den männlichen Opfern um 83,3 Prozent, bei den weiblichen Opfern um 8,3 Prozent. Im Vergleich: 2021 wurden 18 männliche und 36 weibliche Personen getötet. Berücksichtigt man die Parameter der justiziellen Abänderungen der Straftanklage und des Alters der Opfer über 14 Jahre, so verzeichneten wir im Jahr 2022 insgesamt 29 Frauenmorde (2021: 28) und 20 Männermorde (2021: 9). Im Vergleich zur gesamten Gewaltkriminalität bestand bei den erfassten Morden zu 81 Prozent ein Bekanntschaftsverhältnis. Im Gegensatz zu den Zahlen der gesamten Gewaltkriminalität war bei den angezeigten Delikten im Bereich Gewalt in der Privatsphäre ein Rückgang von 20.213 auf 19.897 zu verzeichnen, was einem Rückgang von 1,6 Prozent entspricht, jedoch noch nicht das Niveau von 2019 erreicht (2019: 16.248). Die Zahl der ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote ist 2022 auf 14.631 gestiegen (2021: 13.690).
Seit 2020 werden im Gewaltschutz folgende Maßnahmen gesetzt: Das Betretungs- und Annäherungsverbot wurde am 1. Jänner 2020 ausgeweitet und bietet seither erweiterte Schutzmöglichkeiten: Neben der Wohnung samt Umkreis von 100 Metern ist auch der Aufenthaltsort des Opfers mit einem zusätzlichen Umkreis von 100 Metern geschützt (Annäherungsverbot), sodass auch ein verbesserter Schutz für Minderjährige erreicht werden konnte. Bei jedem Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbots wird seit 1. Jänner 2022 automatisch auch ein vorläufiges Waffenverbot gegen die Gefährderin beziehungsweise den Gefährder ausgesprochen. Für Gewalttäter gibt es seit September 2021 eine verpflichtende Beratung im Ausmaß von sechs Stunden. Die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen wurden durch spezialisierte Polizistinnen und Polizisten weiterentwickelt. Die finanziellen Mittel für die Opferhilfe und den Ausbau der psychosozialen Prozessbegleitung wurden aufgestockt. Richterinnen und Richter haben die Möglichkeit, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zum Schutz gegen Gewalt eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung anzuordnen. Auf der Website www.hilfe-bei-gewalt.gv.at erhalten gefährdete Personen und Angehörige Informationen in elf Sprachen. Mit 24,6 Millionen Euro jährlich erhält der Gewaltschutz das höchste Budget in der Geschichte der Zweiten Republik. Im März 2022 wurde eine Arbeitsgruppe Gewaltschutz eingerichtet, die einen regelmäßigen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der NGOs und Vertreterinnen und Vertretern des Innenministeriums und des Bundeskriminalamts bietet. Die Einrichtung des Fachgremiums Gewaltschutz bietet einen regelmäßigen Austausch von Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Organisationseinheiten des Innenministeriums mit nachgeordneten Dienststellen zur Qualitätssicherung und zum Qualitätsmanagement. Seit Jänner 2022 ist das vorläufige Waffenverbot für weggewiesene Gefährderinnen und Gefährder in Kraft, im März 2022 wird der „Stille Notruf“ in Betrieb genommen und zudem der Supportbetrieb, der die einschreitenden Beamten bei Fällen von Gewalt in der Privatsphäre unterstützt, österreichweit ausgerollt.
Das Annäherungsverbot bewährte sich im dritten Jahr nach Inkrafttreten als wirksames polizeiliches Instrument zum Schutz von Frauen vor Gewalt im sozialen Naheverhältnis. Gefährder konnten zu 95,8 % nachhaltig ferngehalten werden, nur 4,2 % haben das Annäherungsverbot bei einer Kontrolle der Exekutive nicht eingehalten.
Die Anzeigen bei den Gewaltdelikten im Jahr 2022 sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, das zeigen die Belastungskennzahlen pro 100.000 Einwohner mit Täter-Opfer – Beziehung im Durchschnitt von fünf Jahren. War bis 2020 eine positive Entwicklung ersichtlich (Rückgang von 445 im Jahr 2013 auf 413 im Jahr 2019), so ist der Wert 2020 erstmals wieder auf 443 gestiegen, im Jahr 2022 liegt der Wert sogar bei 498 – das Ziel wurde nicht erreicht. Die Aufklärungsquote bei Gewaltdelikten im Durchschnitt der letzten fünf Jahre konnte von 86% im Vorjahr bei 85 % gehalten werden. In den meisten Fällen besteht eine Beziehung zwischen Täter und Opfer, oft in einem direkten familiären Zusammenhang.
Im Sinne eines gesamtheitlichen Ansatzes wurde auch der Fokus im Bereich Präventionsarbeit, Information und Opferstärkung weiterverfolgt, die Ziele konnten teilweise erreicht werden. Im Bereich Gespräche und/oder Veranstaltungen zur Gewaltprävention konnten von den 8.000 geplanten nur 7.033 durchgeführt werden, eine große Steigerung jedoch gegenüber 2021, wo pandemiebedingt nur 3.521 Gespräche und/oder Veranstaltungen zur Gewaltprävention durchgeführt wurden. Im Bereich Gespräche und/oder Veranstaltungen zur Sexualdeliktsprävention konnten von 437 geplanten 476 durchgeführt werden. Das Ziel wurde somit überplanmäßig erreicht. 2022 gab es 83 Kooperationstreffen und Vernetzungstreffen zum Thema Gewaltschutz. Das Ziel wurde überplanmäßig erreicht.
Um Strukturelle Gewalt frühzeitig zu erkennen und zu verhindern ist der Bereich Jugendprävention besonders wichtig, hier konnten die Ziele wie geplant umgesetzt werden. Mit der Initiative Kinderpolizei konnten 23.671 SchülerInnen erreicht werden (Ziel 20.000). Dabei stärken PolizistInnen das Bewusstsein der Kinder für Gefahren, nicht nur im Straßenverkehr. Der Anteil jugendlicher Täter bei Gewaltdelikten verhält sich die letzten Jahre stabil niedrig bei ca. 10 %, wobei dieser im Jahr 2022 bei 10,65 % liegt.
Das Wirkungsziel und die dazugehörigen Maßnahmen wurden aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung den SDG-Unterzielen „Alle Formen von Gewalt gegen alle Frauen und Mädchen im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich des Menschenhandels und sexueller und anderer Formen der Ausbeutung beseitigen“, „Alle Formen der Gewalt und die gewaltbedingte Sterblichkeit überall deutlich verringern“ und Missbrauch und Ausbeutung von Kindern, den Kinderhandel, Folter und alle Formen von Gewalt gegen Kinder beenden“ zugeordnet.