Zur Gewaltkriminalität zählen strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit und gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, die vorsätzlich begangen werden. 2023 wurden in Österreich 85.374 Gewaltdelikte zur Anzeige gebracht. Das sind 6.538 mehr als im Jahr 2022, was einem Anstieg von 8,3 Prozent entspricht. 2023 ergingen 44.821 Anzeigen wegen Körperverletzung, 4.302 Anzeigen wegen Nötigung, 16.359 Anzeigen wegen Gefährlicher Drohung, 4.463 Anzeigen wegen Erpressung, 5.146 Anzeigen wegen Sexualdelikte und 10.283 Anzeigen wegen sonstiger Delikte. Im Jahr 2023 wurden bei den angezeigten Gewaltdelikten 350 Schuss-, 2.479 Stich- und 615 Hiebwaffen verwendet, mitgeführt oder mit deren Einsatz gedroht. Bei den angezeigten Morddelikten wurden im Jahr 2023 30 männliche und 42 weibliche Opfer protokolliert. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang bei den männlichen Opfern um 9 Prozent, bei den weiblichen Opfern einen Anstieg um 7,7 Prozent. Im Vergleich: 2022 wurden 33 männliche und 39 weibliche Personen getötet. Zieht man die durch die Staatsanwaltschaften eingestellten und abgeänderten Delikte sowie den Bezug zur Gewalt in der Privatsphäre in Betracht, so ereigneten sich im Jahr 2023 27 Morde an Frauen (2022: 21) und sechs Morde an Männern (2022: 8). Im Vergleich zur gesamten Gewaltkriminalität bestand bei den erfassten Morden zu 83,3 Prozent ein Bekanntschaftsverhältnis. Im Bereich Gewalt in der Privatsphäre wurde ebenfalls eine Zunahme verzeichnet: 20.590 Delikte wurden zur Anzeige gebracht, ein Plus von 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2022: 19.897). Die Zahl der ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote ist 2023 auf 15.115 gestiegen (2022: 14.643).
Seit 2020 werden im Gewaltschutz folgende Maßnahmen gesetzt: Das Betretungsverbot wurde mit 1. Jänner 2020 um das Annäherungsverbot ausgeweitet und bietet seither erweiterte Schutzmöglichkeiten: Neben der Wohnung samt Umkreis von 100 Metern ist auch der Aufenthaltsort des Opfers mit einem zusätzlichen Umkreis von 100 Metern geschützt (Annäherungsverbot), sodass auch ein verbesserter Schutz für Minderjährige erreicht werden konnte. Bei jedem Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbots wird seit 1. Jänner 2022 automatisch auch ein vorläufiges Waffenverbot gegen die Gefährderin beziehungsweise den Gefährder ausgesprochen. Für Gewalttäter gibt es seit September 2021 eine verpflichtende Beratung im Ausmaß von sechs Stunden. Die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen wurden durch spezialisierte Expertinnen und Experten weiterentwickelt. Die finanziellen Mittel für die Opferhilfe und den Ausbau der psychosozialen Prozessbegleitung wurden aufgestockt. Richterinnen und Richter haben die Möglichkeit, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zum Schutz gegen Gewalt eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung anzuordnen. Auf der Website www.hilfe-bei-gewalt.gv.at erhalten gefährdete Personen und Angehörige Informationen in elf Sprachen. Im März 2022 wurde eine Arbeitsgruppe Gewaltschutz eingerichtet, die einen regelmäßigen Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der NGOs und Vertreterinnen und Vertretern des Innenministeriums und des Bundeskriminalamts bietet. Die Einrichtung des Fachgremiums Gewaltschutz bietet einen regelmäßigen Austausch von Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Organisationseinheiten des Innenministeriums mit nachgeordneten Dienststellen zur Qualitätssicherung und zum Qualitätsmanagement. Im März 2022 wurde der „Stille Notruf“ in Betrieb genommen. Zudem wurde der GiP-Support, der die einschreitenden Beamten bei Fällen von Gewalt in der Privatsphäre unterstützt, in Wien installiert. Im Herbst 2023 startete das Innenministerium mit einer neuen Kampagne gegen häusliche Gewalt. Die Kampagne setzt bewusst auf provokante Slogans, die die oftmals von Tätern genutzte Täter-Opfer-Umkehr widerspiegeln. Der Gewaltschutz steht ganz besonders im Mittelpunkt der polizeilichen Präventionsarbeit.
Das Annäherungsverbot bewährte sich im vierten Jahr nach Inkrafttreten als wirksames polizeiliches Instrument zum Schutz von Frauen vor Gewalt im sozialen Naheverhältnis. Gefährder konnten zu 95,75 % nachhaltig ferngehalten werden, nur 4,25 % haben das Annäherungsverbot bei einer Kontrolle der Exekutive nicht eingehalten.
Die Anzeigen bei den Gewaltdelikten im Jahr 2023 sind im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, das zeigen die Belastungskennzahlen pro 100.000 Einwohner mit Täter-Opfer – Beziehung im Durchschnitt von fünf Jahren. War bis 2020 eine positive Entwicklung ersichtlich (Rückgang von 445 im Jahr 2013 auf 413 im Jahr 2019), so ist der Wert 2020 erstmals wieder auf 443 gestiegen, im Jahr 2023 liegt der Wert sogar bei 549 – das Ziel wurde nicht erreicht. Die Aufklärungsquote bei Gewaltdelikten im Durchschnitt der letzten fünf Jahre konnte von 85% im Vorjahr bei 85 % gehalten werden. In den meisten Fällen besteht eine Beziehung zwischen Täter und Opfer, oft in einem direkten familiären Zusammenhang.
Im Sinne eines gesamtheitlichen Ansatzes wurde auch der Fokus im Bereich Präventionsarbeit, Information und Opferstärkung weiterverfolgt, die Ziele konnten erreicht werden. Im Bereich Gespräche und/oder Veranstaltungen zur Gewaltprävention konnten von den 8.140 geplanten 8.692 durchgeführt werden, das Ziel wurde überplanmäßig erreicht. Im Bereich Gespräche und/oder Veranstaltungen zur Sexualdeliktsprävention konnten von 442 geplanten 760 durchgeführt werden. Das Ziel wurde somit überplanmäßig erreicht. 2023 gab es 117 Kooperationstreffen und Vernetzungstreffen zum Thema Gewaltschutz. Das Ziel wurde überplanmäßig erreicht.
Um Strukturelle Gewalt frühzeitig zu erkennen und zu verhindern ist der Bereich Jugendprävention besonders wichtig, hier konnten die Ziele wie geplant umgesetzt werden. Mit der Initiative Kinderpolizei konnten 35.360 SchülerInnen erreicht werden (Ziel 10.000). Dabei stärken PolizistInnen das Bewusstsein der Kinder für Gefahren, nicht nur im Straßenverkehr. Der Anteil jugendlicher Täter bei Gewaltdelikten verhält sich die letzten Jahre stabil niedrig bei ca. 10 %, wobei dieser im Jahr 2023 bei 10,49 % liegt.
Das Wirkungsziel und die dazugehörigen Maßnahmen wurden aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung den SDG-Unterzielen „Alle Formen von Gewalt gegen alle Frauen und Mädchen im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich des Menschenhandels und sexueller und anderer Formen der Ausbeutung beseitigen“, „Alle Formen der Gewalt und die gewaltbedingte Sterblichkeit überall deutlich verringern“ und Missbrauch und Ausbeutung von Kindern, den Kinderhandel, Folter und alle Formen von Gewalt gegen Kinder beenden“ zugeordnet.