Seit 1. Jänner 2015 haben Parteien eines Verfahrens vor einem ordentlichen Gericht die Möglichkeit, verfassungsrechtliche Bedenken gegen im gerichtlichen Verfahren anzuwendende Vorschriften unmittelbar an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Im Jahr 2016 wurden 283 Parteianträge auf Normenkontrolle – vor allem gegen Gesetze (272) – eingebracht; damit fußen mehr als 40 Prozent aller Normenprüfungsverfahren auf Gesetzesbeschwerden.
Das neue Rechtsschutzinstrument stellt den Verfassungsgerichtshof nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht vor besondere Herausforderungen. Dies umso mehr, als sowohl die komplexen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Parteiantrages als auch die einfachgesetzlichen Begleitregelungen (§§ 57a und 62a VfGG) immer wieder schwierige Fragen aufwerfen. Erfreulicherweise ist es gelungen, auch im Berichtsjahr mehrere dieser Fragen – teilweise in amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahren – einer Klärung zuzuführen. Der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere ausgesprochen, dass in einem zweiseitigen Rechtsmittelverfahren beide Parteien legitimiert sind, einen Parteiantrag zu stellen – sowohl die Partei, die das Rechtsmittel erhoben hat, als auch deren Gegenpartei.
Auch die Aufhebung des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl 2016 bildete im Berichtsjahr einen Schwerpunkt in der Arbeit des Verfassungsgerichtshofes.
Das Verfahren über diese Anfechtung hat den Verfassungsgerichtshof – und zwar sowohl das Kollegium der Mitglieder als auch das nichtrichterliche Personal – in Anspruch genommen wie noch keine Sache zuvor.
Im Jahr 2015 war im Vergleich zu den Vorjahren ein deutliche Anstieg der bi- und multilateralen Kontakte des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zu verzeichnen. Die Anzahl der im Berichtsjahr zu verzeichnenden bi- und multilateralen Kontakte ist im Vergleich zum Jahr 2015 weiter angestiegen. Dieser kontinuierliche Anstieg lässt sich auf zwei Phänomene zurückführen: Aus der zunehmenden Verbreitung der Verfassungsgerichtsbarkeit auf den Kontinenten – und zwar durch zumeist nach dem österreichischen Modell eingerichteten Verfassungsgerichten – resultiert ein erhöhter Informations- und Kommunikationsaustausch auf globaler Ebene. Gleichzeitig bedingt der fortschreitende Prozess der Europäisierung des Verfassungsrechts eine intensivere Kooperation und Vernetzung der europäischen und nationalen Gerichte. Bei Evaluierung der Umsetzung des Projekts zur Abhaltung von Videokonferenzen mit anderen ausländischen Verfassungsgerichten stellte sich heraus, dass eine hochwertige technische Lösung zu kostenintensiv ist; die Realisierung des Projekts wurde daher nicht weiterverfolgt. Auch die Neuerungen in den Bereichen Internet und Intranet konnten wie geplant umgesetzt werden. Die Website wurde in den letzten Jahren mehrmals den sich wandelnden Internetgewohnheiten und technischen Standards angepasst, ohne den Gesamtauftritt massiv zu verändern. 2016 kam es dann aufgrund notwendiger technischer Erneuerungen nach längerer Zeit zu einem Gesamtrelaunch; damit verbunden war auch eine Umstellung auf „Responsive Webdesign“. Mit Responsive Webdesign ist es nun möglich, allen technischen Geräten denselben Code zur Verfügung zu stellen, der dann für die Anzeige der Website automatisch auf die jeweiligen Bildschirmgrößen angepasst wird. Die festgelegten Maßnahmen haben entscheidend zur Erreichung der angestrebten Wirkung beigetragen. Der Wirkungserfolg wird auch damit begründet, dass durch eine gezielte Informationspolitik das Interesse der Bevölkerung an der Verfassungsgerichtsbarkeit gesteigert und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Inhalte des Intranet begeistert werden konnten. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof mit Twitter bewusst einen zusätzlichen Weg der Kommunikation durch den Pressesprecher eröffnet, um über die Aufgaben und die Tätigkeiten des Verfassungsgerichtshofes umfassend zu informieren.